PM: Stadtgrün in Speyer 8. Januar 2021 Stadtgrün Speyer Eine Stadt auf Kriegsfuß mit den Folgen des Klimawandels (Autor: Volker Ziesling) Die Stadt Speyer hat sich zum Vorreiter gegen die Folgen des Klimawandels erklärt, sieht sich gar als „Modellkommune“ für Maßnahmen und Strategien zur Anpassung an den Klimawandel. Am 22. August 2019 wurde öffentlichkeitswirksam gar der Klimanotstand ausgerufen. Inzwischen ist die Euphorie verflacht und selbst kleinste Maßnahmen weichen anderen Überlegungen. Klimaneutralität ? Vergessen. Was läuft falsch in unserer Stadt? Neben gravierenden Mängeln in der Behandlung des Stadtwaldes, der immer zunehmenden Verdichtung der innerstädtischen Bebauung, einer verfehlten Verkehrspolitik und einer beschleunigten Versiegelung öffentlicher und privater Flächen, passt die Entwicklung des innerstädtischen Grüns so gar nicht zu dem großspurigen Klimanotstandsgetöse. Symbolpolitik auch in Bezug auf die Folgen des Klimawandels. Anstelle einer echten Klimapolitik beschäftigt sich die Stadtverwaltung mit dem „Labeling“, der plakativen Kennzeichnung ihrer Maßnahmen mit schmucken Werbeaufklebern. Jedes Jahr werden im Stadtwald etwa 8.000 Bäume gefällt. Die Holzvorräte im Stadtwald liegen bei der Hälfte des landesweiten Durchschnitts und gerade noch bei einem Drittel eines natürlichen Waldes. Ein Großteil dieses im Stadtwald geschlagenen Holzes wird der thermischen Verwertung zugeführt, das heißt es landet in den Brennöfen und entlässt den gebundenen Kohlenstoff in die Atmosphäre. Unser Stadtwald wurde „heißgeschlagen“, wie es im Fachjargon heißt. Das Waldinnenklima wurde durch eine jahrzehntelange Übernutzung, die auch von externen Fachexperten bestätigt wurde, zerstört. In der Folge erhöht sich während der Vegetationsperiode die Transpiration der Bäume, die nicht mehr genug Wasser aus dem trockenen Boden nachziehen können. Ein Baum, der mehr Wasser verdunstet, als er nachziehen kann, vertrocknet. Das Problem des Waldsterbens in der sommerlichen Hitze ist hausgemacht. Nicht besser ergeht es dem innerstädtischen Grün. In den Parks werden die von den Stadtgärtnern in Reih und Glied sauber gesetzten Blümchen in den Sommermonaten akkurat bewässert. Neupflanzungen von Bäumen werden seit Herbst 2019 mit Bewässerungsbeuteln aus Kunststoff versehen. Ein Stadtbaum benötigt aber eine genügend große Pflanzscheibe, die nicht versiegelt ist. Mit den Bewässerungsmaßnahmen werden Neupflanzungen von Bäumen nicht gerettet, sie brauchen einfach mehr Platz, der in einer Stadt die gerne Freiflächen versiegelt, einfach nicht mehr vorhanden ist. Die Stadt Speyer brüstet sich damit notwendige Baumfällungen durch Neupflanzungen zu ersetzen. Letzten Winter wurden 87 Stadtbäume gefällt und 141 Solitärbäume gepflanzt. Was sich zunächst gut anhört ist bezüglich des Stadtklimas eine Katastrophe. Die Leistung eines etwa 15 Meter hohen Stadtbaumes bezüglich Sauerstoffproduktion, Pumpleistung, Filterleistung, Kohlenstoffbindung oder Schattenwurf müsste durch die Ersatzpflanzung von etwa 80 Bäumen kompensiert werden. Die „klimaneutrale Stadt“ hat auch bezüglich des Stadtgrün auf ganzer Linie versagt. Noch schlimmer: Die Neupflanzungen folgen einem strengen Muster. Nicht die Biodiversität steht im Vordergrund der „Grünplanungen“, sondern Aspekte der Pflegeleichtigkeit und der Reinhaltung der Straßen und Autos. Auf der Fällliste für das kommende Jahr stehen überwiegend heimische Baumarten, wie Ahorn, Hainbuche, Weide, Birke oder Linde. Diese einheimischen Baumarten sind Lebensraum für heimische Insekten und dienen auch der Vogelwelt als Lebensgrundlage. Die Stadtgärtner pfeifen auf Artenschutz und Biodiversität. In der Pflanzliste erscheinen fast ausschließlich exotische Gehölze und allerlei Zuchtformen, die für das heimische Artenspektrum keinen Platz bieten und auch für das Leben der Menschen nicht zielführend sind. Wichtig für unsere Stadtgärtner sind kleine, fahnenförmige Baumkronen, die pflegeleicht sind und wegen der geringen Blattmasse unsere Straßen nicht verschmutzen. Die bunten Baumschulkataloge bieten Zuchtformen mit wohlklingenden Namen wie „Columnare“, „Obelisk“ oder „Slender Shilouette“ an. Diese Beinamen verraten die schlanke Wuchsform und die Stadt kauft diese teuren Pseudobäume ein. Das Gegenteil braucht eine Stadt, die in einem Hotspot des Klimawandels liegt: Großkronige, weit ausladende Bäume mit dichter Blattmasse. Das einheimische Artenspektrum von Bäumen liefert trotz Klimakrise entsprechende Optionen. Hainbuche, Spitzahorn, Stieleiche oder Winterlinde sind den extremen Herausforderungen des Stadtklimas gewachsen und bieten darüber hinaus Lebensraum für einheimische Insekten und eine Vielzahl von Vögeln. Andere Städte in der Vorderpfalz haben das Problem erkannt und auf diese Herausforderung reagiert. So pflanzte die Stadt Neustadt in den vergangenen Jahren überwiegend einheimische Traubeneichen. Die Stadt Speyer verharrt, trotz ihrer Leuchtturmsymbolik bei Maßnahmen, die aus dem Gestern entstammen. Selbst die kleinsten Grünflächen, wie Verkehrsinseln werden säuberlich als Steingärten angelegt und mit einer Folie abgedichtet, die kein Niederschlagswasser einsickern lässt. Wie will eine Stadt ihre Bürger*innen überzeugen, aus Gründen des Stadtklimas ihre Vorgärten nicht mit Schotter abzudichten, wenn sie doch selbst ein so schlechtes Vorbild ist? Die selbst so bezeichnete „Leuchtturmfunktion“ der Stadt Speyer ist durch das reale Handeln zur Farce verkommen. In dieses Bild passen auch die ambitionierten Pläne im Norden der Stadt weitere Flächen im Rahmen einer Gartenschau zu versiegeln oder Neubauten, wie das „Guesthouse“, mit dunkeln Fassaden zu genehmigen, die ein Vielfaches der sommerlichen Hitze speichern, als eine weiße Fassade. Nein, diese Stadt ist nicht klimaneutral und sie befindet sich nicht auf einem guten Weg. Es verdichten sich die Hinweise eines Kollektivversagens von Stadtspitze, Stadtverwaltung, Forstbehörde und Stadtgärtnerei. Es ist schon jetzt absehbar, dass das erklärte Klimaziel von 1,5 Grad Celsius gegenüber vorindustrieller Zeit scheitert. Projektionen gehen in der Rheinebene von einer Temperaturerhöhung zum Jahrhundertende von bis zu 7 Grad Celsius aus. Wir brauchen keine starken Statements, neue Labels unseres Umweltbewusstseins und keine markigen Erklärungen unserer Stadtspitze – wir brauchen einen Paradigmenwechsel in der Gestaltung des innerstädtischen Grüns und der Behandlung unseres Stadtwaldes.